Werkzeuge und Wege 3 - kollektiv und selbstbestimmt

Compagnievertretung

Die Compagnie wählt jährlich als Vertretung zwei Schauspieler:innen aus ihren Reihen.
Dieses “Vorzimmer der Compagnie” beruft die monatlichen Plena ein und moderiert sie, bereitet die halbjährlich stattfindenden Generalversammlungen vor und führt sie durch. Sie organisiert zudem Workshops, Seminare oder Feiern. Sie steht im ständigen Austausch mit der Leitung, pflegt den Kontakt zur Betriebskommission (die Arbeitnehmer:innenvertretung am Haus), ist Ansprechpartnerin für die Mitglieder der Compagnie bei Fragen, Problemen, Vorschlägen und Kritik.

Ein Diagramm, welches die Gruppen zeigt, die den Spielplan erstellen.

Versammlungen und Arbeitsgruppen

Einmal im Monat kommen Spieler:innen, Souffleurinnen, Assistierende, Dramaturgie und Leitung zur Compagnieversammlung zusammen.
Hier werden Neuigkeiten ausgetauscht, aktuelle Anliegen besprochen und Entscheidungen getroffen. Wir gehen dabei nach dem sogenannten Konsentverfahren vor, was bedeutet, dass ein Beschluss gefasst wird, wenn es keine schwerwiegenden Einwände gibt.
Bestimmte Fragen, die eine längerfristige Beschäftigung mit einem Thema erfordern, werden an Arbeitsgruppen delegiert. Die Arbeitsgruppe holt alle zur Lösung eines Problems notwendigen Informationen ein und bereitet eine Entscheidung vor. Sie arbeitet autonom, muss sich aber mit allen austauschen, die von den Ergebnissen betroffen sind.
So hat die Probengruppe beispielsweise einen Leitfaden zu Arbeitsbedingungen und Probezeiten erstellt.
Die Vorschläge wurden in der Compagieversammlung angenommen und verabschiedet. Seitdem wird beispielsweise am Samstag nicht mehr geprobt. Die Social-Media AG kümmert sich eigenständig um den Instagram Account der Compagnie. Eine weitere Runde arbeitet an einer selbstbestimmten Regelung von An- und Abwesenheiten, die bislang über Urlaubsscheine definiert werden, kam aber bisher noch zu keiner abschliessenden Lösung, die mit den dispositionellen Erfordernissen des Betriebs in Einklang steht. Eine AG mit dem klingenden Namen “Organisationskomitee ABK” widmet sich dem Programm, der Werbung und den Finanzen der Alten Billettkasse, der Nebenspielstätte der Schauspielsparte. Eine der wichtigsten AGs ist die in Werkzeuge und Wege 1 erwähnte Spielplangruppe. Sie besteht aktuell aus 3 Spieler:innen und einem Assistenten und nimmt an einer wöchentlichen Dramaturgiesitzung teil. Stoff und Rotwein ist ein offenes Format, in dem sich Compagniemitglieder treffen, um Stücke zu lesen und Themen und Formen zu diskutieren, die für eine künstlerische Auseinandersetzung relevant sein könnten.

Generalversammlung

Zweimal pro Saison trifft sich die gesamte Compagnie ganztägig, um in eine inhaltliche Auseinandersetzung der vergangenen, laufenden und kommenden Spielzeit zu gehen. Hier werden in kleinen Runden die bisherigen Produktionen diskutiert und anschliessend Kritik und Feedback ins Plenum getragen. Die hier gesammelten Ergebnisse finden Eingang in die folgende Debatte um die künstlerische Bestimmung der nächsten Spielzeit: Inhalte, Stücke, Stoffe und Regiehandschriften.
Alle Versammlungen finden während den Probenzeiten statt und keineswegs in der Freizeit. Mitbestimmung ist Arbeit und kein Hobby.

Basisformate und Alte Billettkasse

Jetzt muss man wieder machen, was man will.
Karin Neuhäuser

Nebenformate gibt es an allen Stadttheatern. Lesungen, Diskursveranstaltungen, Konzerte, kleine Performances, politische Aktionen, theatrale Schüsse aus der Hüfte. Mal von der Dramaturgie und Leitung initiiert, mal von von Assistierenden und Spieler:innen in Eigeninitiative erarbeitet. Oft werden Menschen, die sich eigentlich nie ins Theater verirren, von dem vorläufigen, schnellen, dreckigen oder tagesaktuellen Charakter des Nischenprogramms angezogen. Wenn auch eine Vielzahl wiederkehrender Nebenformate gewissermassen das andere Gesicht eines Theaters bilden, ein wuchernder und wimmelnder Medusenkopf aus unerschlossenen Ästhetiken, abseitigen Ideen und unausgegorenem Quatsch, der einen entscheidenden Beitrag leisten kann für die Atmosphäre im Innern und für das äussere Erscheinen des ganzen Ladens - am Ende kommt immer zusätzliche Arbeit heraus. Die Assistentin rotiert in der Mittagspause zwischen zwei Proben am Kopierer und in der Requisite, um den Darsteller mit Text und Spielzeug zu versorgen, der zwei Tage nach seiner letzten Premiere eine dringende politische Lesung machen muss. Soll. Will. Theatermenschen nennen das dann in einer Mischung aus Stolz und Pseudokritk: Selbstausbeutung. Die Basler Compagnie will auch Nebenformate, unbedingt. Nur ohne Ausbeutung. Gut, die Ausbeutung wird man nie wirklich los, zumindest so lange wir in der Marktwirtschaft zuhause sind. Aber zusätzliches Engagement für die Kunst sollte immerhin auf Freiwilligkeit beruhen. Oder darauf, ob man schon seine 0,5 - Rolle abgeleistet hat (was wir einmal an anderer Stelle erklären). Weil wir notorisch alles anders nennen, weil wir, wie wir bereits umfänglich dargelegt haben, vieles anders machen, heißen unsere Nebenformate: Basisformate.
Basisformate sind Ausdruck der künstlerischen Selbstorganisation der Compagnie jenseits des Programms auf den regulären Bühnen. Alle, die eine Idee zu einem Projekt haben, sollen die Möglichkeit bekommen, es zu realisieren. Schauspieler:innen, Regieassistierende, Dramaturgie.
Niemand von oben oder von der Seite quatscht rein.
Ort dafür ist die Alte Billettkasse, eine von der Compagnie geführte Spielstätte.
Sie ist mit einem kleinen Budget ausgestattet, Programm, Kasse, Bar und Technik werden von ihr selbst betreut.
Sie ist aber auch offen für alle anderen Mitarbeitenden des Theaters. Wenn jemand aus der Verwaltung gerne die rätoromanischen Liebesbriefe seiner Grosseltern lesen will und dazu singende Säge spielen - wer sind wir, ein solches Unterfangen zu verhindern.
Natürlich gibt es auch von der Dramaturgie und Leitung gesetzte Nebenveranstaltungen. Aber der Regelfall ist das B-Format: In Eigenregie entstandene, handgemachte Unterhaltung mit Substanz. Von Profis. Auf einer sehr kleinen Bühne mit sehr wenig Abstand zum Publikum.
Kommt in die Alte Billettkasse und schaut, ob das gelogen ist.

Zwei Personen sitzen lachend vor einem Laptop und einem Bier

Zum vorläufigen Schluss

Hier endet unsere dreiteilige Serie über Werkzeuge und Wege unserer Mitbestimmung am Theater Basel. Vieles klingt banal und schrecklich naheliegend. Aber gerade das Einfache ist schwer zu machen, hat schon Brecht ungefähr so gesagt. Wir mussten uns fast alles selbst ausdenken und ausprobieren. Es war ein Weg mit endlosen Debatten, heftigen Auseinandersetzungen, kleinen Missverständnissen und grossen Fehlern. Es gibt Widersprüche in unseren Strukturen, die nicht einfach aufzuheben sind. Auf die werden wir noch zu sprechen kommen. Indes gehen wir den Weg weiter. Wahrscheinlich bleibt er gewunden und holprig, aber wir haben bewiesen und beweisen es weiter, dass man Theater machen kann, ohne unter Herrschaftsstrukturen eines mittelalterlichen Fürstentums zu arbeiten.

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