Werkzeuge und Wege 2 - Mitbestimmung

Eine Schauspielerin während einer Diskussion

Besetzung und Spielplan

In der Basler Compagnie gilt die Prämisse: Niemand muss etwas machen, was sie:er aus künstlerischen Gründen nicht machen will. Daraus folgt, dass Spieler:innen keine Rollen spielen müssen, die sie nicht spielen wollen. Keine:r muss mit einer Regie arbeiten, mit der sie:er sich nicht verbinden kann oder mag.

Die zentralen Mittel für die Umsetzung dessen sind Veto und Wunsch. Wenn der Spielplan erstellt ist, geben die Spieler:innen an, wo sie spielen wollen, welche Produktion sie interessiert, mit welcher Regie eine Zusammenarbeit erwünscht ist.  Die Viererleitung und die Dramaturgie versuchen im folgenden Besetzungsprozess diesen Bedürfnissen bestmöglich zu entsprechen.

Wie bringen Spieler:innen ihre inhaltlichen und formalen Interessen ein? Indem man sie in die Spielplangestaltung mit einbezieht.

Kleiner Exkurs: Die Erstellung des Spielplans ist ungefähr so einfach, wie einen Öltanker in einem Yachthafen einzuparken. Verschiedene, teils sich widersprechende Erwägungen, gilt es zu vereinen. Künstlerische Formsuche, inhaltliche Bestimmungen, politische Relevanz, ökonomischer Druck, Publikumsinteressen, Bildungsauftrag, dispositionelle Verfügbarkeit von Spielenden und Regie und dergleichen mehr. Exkurs Ende.

Angesichts dessen mag es einleuchtend erscheinen, dass an den meisten Häusern die Programmierung des Spielplans allein die Sache von Dramaturgie und Intendanz ist. Aber warum sollen diejenigen, die morgens auf der Probebühne stehen und am Abend vor dem Publikum, schlicht also diejenigen, die ihre Körper für die Kunst zur Verfügung stellen, ausgeschlossen sein von der Frage, was, mit wem und unter welchen Bedingungen das Theater produziert?

Die Basler Compagnie versucht bezüglich des Spielplanes einen offenen und partizipativen Weg zu gehen. Vier jährlich neu gewählte Mitglieder der Compagnie, die sogenannte Spielplangruppe, vertreten die  Anliegen von Spieler:innen und Regieassistenz in den wöchentlich stattfindenden und von der Dramaturgie moderierten Spielplan-Sitzungen. Hier können sowohl Regisseur:innen, Stücke, als auch thematische Interessen von Seiten der Compagnie vorgeschlagen werden. Die Spielplangruppe fungiert hier als Repräsentantin der Schauspielenden und der Assistent:innen, sammelt ihre Vorschläge und ist Ansprechpartnerin für etwaige Nachfragen aus der Compagnie.

Auf der zweimal jährlich stattfindenden Generalversammlung trifft sich das gesamte künstlerische Personal der Schauspielsparte, um sich in großer Runde über den aktuellen Stand der Planung auszutauschen: Welche Regisseur:innen haben zugesagt, welche sind angefragt, welche Stoffe sind in der Diskussion? Ist die angestrebte Geschlechterparität bei den Regieführenden gegeben? Wo sind gerade Arbeiten von Regisseur:innen zu sehen, mit denen wir uns verbinden könnten?

Am Ende macht die Leitung die Zusagen und Verträge. Doch wer trifft wirklich die finalen Entscheidungen? Wie in so vielen kollektiven Prozessen passiert dies im Dazwischen. Das ist mithin schwer zu definieren.
Die Frage ist: Ist es so wichtig, das zu wissen?

Unter 10-Augen sprechen

In praktisch jedem Betrieb gibt es Mitarbeiter:innengespräche, eine Plattform für gegenseitiges Feedback und gemeinsame Bilanz. Im Theater hingegen muss man an vielen Orten noch um diese bitten. Die Compagnie hat es für alle eingeführt: Bei einem sogenannten 10-Augen-Gespräch (Viererleitung und Spieler:in) zur Hälfte der Spielzeit zieht man gemeinsam Fazit und schaut aufs kommende Jahr.

Was waren die künstlerischen Erfahrungen der Spielzeit? Wo hat man positives Feedback, wo Kritik? Was ist das aktuelle  Verhältnis zwischen Spieler:in und Leitung? Wie bewertet man die Ergebnisse und Entwicklungen in der Partizipation?

Das sind Fragen, die man sich natürlich immer stellen müsste, aber wenn der Raum dafür nicht gegeben ist und man ihn sich permanent erkämpfen muss, wird man irgendwann müde. Und anstatt Konflikte pragmatisch anzusprechen oder Positives rückzumelden, schleppt man diese Gefühle dann auf die Probe oder die Kantine, wo sie meistens nicht hingehören. Um gutes Theater zu machen, braucht es eben auch den Raum, dieses zu reflektieren. Innerhalb der Struktur und innerhalb der Produktion.

Gemeinsam Aufräumen - Nachgespräche

Es gibt Produktionen, die von der ersten Probe an rund laufen. Die Textfassung ist fertig, die Konstellation der Spielenden ideal, die Stimmung traute Eintracht, jede:r hat den Text gelernt, die Regie ist vorbereitet und ein Geysir guter Ideen. In der Kommunikation zwischen künstlerischem Team und Technik fällt kein einziges Mal der Satz: “Das geht nicht.” Alles ist leicht und fliesst - ein Grund für eine Krise weit und breit nicht auszumachen. Die Premiere wird selbstredend ein Erfolg bei Publikum und Kritik. Seltsam, das klingt ja wie im Traum. Spoiler. Es ist ein Traum. Es gibt nämlich auch Produktionen, die anders laufen. Eigentlich laufen sie immer anders. Meistens aus dem Ruder.
Eine Theaterproduktion ist in der Regel eine Achterbahn der Emotionen, manchmal auch harmonisch, immer wieder konfliktbeladen. Nachbereitet wird sie selten, auch wenn aus jeder Arbeit neue Erkenntnisse gezogen werden könnten.

Die Compagnie hat deshalb Nachgespräche eingeführt: gemeinsam mit den Spieler:innen und Assistierenden wird zeitnah nach der Premiere (idealerweise ungefähr nach der fünften Vorstellung) ein Treffen organisiert, wo der vergangene Prozess reflektiert und besprochen wird. Neben der künstlerischen Reflexion gibt es auch ein Auswertungsgespräch mit den technischen Gewerken. Wo hat es genervt und wo gehakt? Was lief so, wie man es sich wünscht?

Wichtige Erkenntnisse werden so gesammelt, um die künstlerische Praxis weiterzuentwickeln und fortlaufend neu zu definieren, um beim nächsten Mal so viel Zeit, Konzentration und Kraft wie nur möglich herauszuschlagen für das, worum es geht: Drama auf der Bühne.

 

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