Erfrischend unverschämter Haydn Die Schöpfung

Erfrischend unverschämter Haydn

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Kaegis Klaenge, ein Podcast des Theater Basel.


Gabriela Kaegi: Und heute geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Schöpfung, ums Oratorium von Joseph Haydn. Ein Podcast in sieben Takes.

Eins, das Original.

Gabriela Kaegi: Das Original ist von Joseph Haydn, der als 66-jähriger nach London reiste und dort erlebte, wie Händels Oratorien die Massen zu begeistern vermochten, worauf er einem Freund anvertraut hat, dass er auch noch etwas komponieren möchte, was seinem Namen dauerhaft Bestand sichern würde. Aber was? Nimm die Bibel, soll ihm der Freund geraten haben. Und fang mit dem Anfang an. Das tat Haydn, und schon bei der Uraufführung im Burgtheater in Wien waren die Menschen so begeistert, dass sie nach jedem Abschnitt klatschten und laut bravo riefen, und seither ist die Schöpfung fixer Bestandteil des Konzertlebens.

[Musik aus dem Stück]

Gabriela Kaegi: Das ist das Orchester La Cetra mit dem Anfang von Haydns Schöpfung, extra für diesen Podcast gespielt bei der ersten Probe zehn Tage vor Ostern. Herzlichen Dank! Originell und frisch, aber auch einfach ist die Musik, die hier der alte Haydn komponiert hat, und genau das ist es, warum sie bis heute so beliebt ist. Jörg Halubek, der Dirigent der Basler Schöpfung, präzisiert allerdings…

Jörg Halubek: Es ist tatsächlich nicht einfach geschrieben, aber es klingt einfach, und das ist wahrscheinlich die grosse Kunst hinter der Komposition. Also die Fugen zum Beispiel, die folgen gar keinen Gesetzen. Die Themensätze kommen sehr durcheinander, und selbst die barocken Fugen sind ein bisschen aufgeräumter, aber es wirkt auf uns gar nicht so.

Gabriela Kaegi: Neben diesen kunstvoll gemachten abstrakten Fugen aber traut sich Haydn auch, eine ganz konkrete, eine beschreibende Musik zu komponieren. Es läuft ja was in der Schöpfung, wenn das Licht in die Dunkelheit bricht oder wenn sich Himmel und Erde scheiden, Meere und Flüsse entstehen, oder…

Jörg Halubek: …wenn jetzt gerade von dem Löwen, von dem Tiger, den brüllenden Tiger, die Rede ist, dann kommen sehr einfache musikalische Bilder, dann brüllt einfach das Orchester kurz, mit seinen Mitteln, mit einem grossen Triller, den alle unisono spielen. War wahrscheinlich auch eine gewisse Unverschämtheit, sowas so zu komponieren. Also manchmal machen die Komponisten Sachen, die in der Zeit Verstoss waren, aber die uns natürlich dann ganz direkt berühren, und immer noch heute. Also, ich denke, das ist ein Aspekt der Frische und der diese Einfachheit, dass die Bilder, die musikalischen Bilder sehr nachvollziehbar sind. Man muss auch sagen, es ist geschrieben für Musiker, es macht Spass zu spielen und Spass zu singen und eben auch Spass zu hören.

Gabriela Kaegi: Vom brüllenden Löwen hat Jörg Halubek eben gesprochen. Das Orchester La Cetra und der Bassist Alex Rosen präsentieren ihn jetzt. Und noch ein paar weitere Vierbeiner.

[Musik aus dem Stück]

Gabriela Kaegi: Dann folgen in lockerer Aneinanderreihung musikalische Rinder, Schafe, Mückenschwärme.

[Musik aus dem Stück]

Gabriela Kaegi: Und schliesslich auch noch mein liebstes. Das Gewürm.

[Musik aus dem Stück]

Gabriela Kaegi: Wobei interessant ist, wie Jörg Halubek sagt, dass Haydn die Beschreibung der Natur der Tiere des Firmaments immer zuerst in der Musik bringt.

Jörg Halubek: Und dann sagt einer, der Engel, und das ist der Esel oder das war der Hirsch, das sind die Fluten, das sind die Stürme, und das kennen wir eigentlich sonst eher andersrum, dass erst etwas… Ein Rezitativ, da wird was gesagt, und dann kommt das musikalische Bild, und hier ist es umgekehrt, das ist auch ein bisschen modern, könnte man fast sagen.

Gabriela Kaegi: Das originellste dieser Partitur ist für den Dirigenten Jörg Halubek, wie Haydn beginnt und wie er musikalisch das Chaos beschreibt. Er versucht, nämlich…

Jörg Halubek: Am Anfang einen Urknall zu zeigen mit diesem ersten Unisono-Akkord, und dann fliegen sozusagen die einzelnen Elemente, was auch immer das ist, fliegen von diesem Urknall weg. Für mich wirkt die Musik ein bisschen. Und da entstehen dann haarsträubende Harmonien. Oft klingt das nach Richard Wagner, das sind so halb verminderte Akkorde, die sich nicht auflösen, und dann Fragmente in Triolen von einzelnen Instrumenten, schroffe Paukenschläge. Wie so nach einer Explosion, flammt das überall noch weiter. 

[Musik aus dem Stück]

Alles vereint sich in einer Energie, und dann fliegt alles auseinander und kommt auch nicht mehr so richtig zur Ruhe in dem Stück. Da gibt es immer wieder so abbrechende Momente und Fragmente, und das, glaube ich, für die klassische Zeit ist das sehr weit weg vomUsus. Ein Stück so zu Beginn, es beginnt nicht irgendwie…  sondern es beginnt mit einem Aufhörer sozusagen. 

[Musik aus dem Stück]

Gabriela Kaegi: So viel zum ersten Tag und zur Musik von Haydns Schöpfung. 

Männerstimme: Zwei, die Basler Fassung

Gabriela Kaegi:… entstand in etwa so wie «Chicken and Egg», sagt der Dramaturg Niels Nuijten. Man weiss nicht genau, was zuerst war. Ob es, wie im Fall der Schöpfung, die Lust an diesem Oratorium auf der Theaterbühne oder ob es das Jubiläum der beiden Gymnasien Muttenz und Oberwil war, die zu diesem Anlass etwas Grösseres zusammen mit dem Theater Basel machen wollten. Egal, Hauptsache, man hat sich gefunden, es erklärt, wie es weiterging und was wir schliesslich zu sehen und zu hören bekommen.

Niels Nuijten: Also wir wussten, dass Muttenz und Oberwil beide Schulchöre haben. Also die können sehr gut singen, also dass das viele Kinder sind, sind fast 100 Schüler:innen, die da mitmachen, also singen. Und es war klar, dass sie das können. Und dann war natürlich die Frage, wie verbinden wir das in diese Inzenierung? Singen die die ganze Schöpfung? Kommen, die auf die Grosse Bühne? Singen die nur einen Teil mit? Also das sind dann alles offene Fragen, und dann kam natürlich auch der Regisseur Thomas Verstraeten dazu. Dann haben wir uns eigentlich dieses Konzept von zwei Teilen ausgedacht, weil wir haben viel geredet darüber, was hat diese Schöpfungsgeschichte eigentlich mit diesen Jugendlichen zu tun, mit diesem Altersgruppe eigentlich auch. Und wir haben das eigentlich... Das hat sich so ein bisschen ergeben, dass wir darüber nachgedacht haben, als die sind eigentlich, die sind sicher keine Kinder mehr, sind aber auch noch nicht wirklich erwachsen, die sind irgendwie dazwischen. Und diese kindliche oder naive Qualität, die die Schöpfung auch hat, gehört vielleicht ein bisschen zum Reich der Kinder, diesem Gefühl der Kindheit. Deswegen haben wir eigentlich erst mal gedacht, okay, am Abend kann es ja eigentlich auch quasi eine «coming of age»-Geschichte sein. Nämlich wir fangen eigentlich bei dieser Kindheit an und sehen aber später, dass diese Jugendlichen gar keine Kinder mehr sind und dass sie vielleicht gar nicht mehr glauben an diese märchenhafte Schöpfung, die sie erst mal gespielt haben, dass ihre Realität eine ganz andere ist. So haben wir uns dann dafür entschieden, die Schöpfung in zwei Teilen zu machen. Ein Teil in dem diese Jugendlichen, ich würde sagen, direkt und plakativ, diese Schöpfung singen und spielen, und alle Naturelemente kommen vor: Donner und Blitz, aber auch ein Walfisch und schlussendlich natürlich der Mensch, der entsteht.

Gabriela Kaegi: Und mit einer unglaublichen Ausstattung dieser grossartigen Werkstätten vom Theater Basel, muss man jetzt auch sagen.

Niels Nuijten: Es ist ein sehr grosses Projekt, aber was wirklich schön ist: zu sehen, das sicher auch auf dieser Bühne im Foyer alles vom Malsaal bis zur Kostümabteilung sehr präzise und fein gemacht ist und wirklich sehr, sehr schön aussieht.

Gabriela Kaegi: Knapp 30 Minuten wird die Foyer-Schöpfung dauern. Niels Nuijten musste also aus dem fast zweistündigen Werk eine Auswahl treffen. Wie ist er dabei vorgegangen?

Niels Nuijten: Genau, ich habe da erstmal zusammen mit Thomas, dem Regisseur, haben wir aus der Schöpfung genommen: Was ist eigentlich wichtig für uns, zu erzählen, und es geht da wirklich um diese Schöpfungsgeschichte, und das lässt sich dann eigentlich ziemlich einfach kürzen, weil es gibt einfach diese Tage, also Tag eins bis sechs. Unser Ziel war es, in dieser ersten Version, also der Foyer-Version, quasi alle Tage zu beschreiben. Also wir wussten, wir haben einen Chor und auch wunderbare Solistinnen aus den Schulen. Wir haben also wirklich eine kleine Schöpfung aus der grossen Schöpfung erstellt, musikalisch, wo alle Tage und alle Elemente, die so entstehen, vorkommen. 

[Durchsage aus Lautsprechern]

Gabriela Kaegi: Ja, wir sitzen in der Kantine des Theater Basel ist und ich habe noch eine Frage an ihn. Was geschieht nach diesem ersten Teil, nach dieser Kurzfassung der Schöpfung?

Niels Nuijten: Das Publikum ist im ersten Teil auch im Foyer, auf den Treppen, auf dem Balkon, und dann später gehen alle zusammen zum Grossen Saal, und dann fängt es eigentlich erst an mit der Schöpfung von Haydn, mit dem Barockorchester unter der Leitung von Jörg Halubek und dann singen quasi die Erwachsenen, würde ich erst mal sagen. Wir sehen dann aber auf einer sehr grossen Leinwand einen Teil oder viele von den Jugendlichen. Nach ihrem Auftritt im Foyer werden wir eigentlich sehen, wie sie rausgehen in die Stadt und einfach ihr Leben leben. Also, sie haben gespielt, sie haben Theater gespielt, sind jetzt frei, und wir schauen mal, was die in ihrer Freizeit eigentlich machen hier in Basel draussen. Die stossen dann auf ganz viele Erfahrungen und Sachen, und das erleben wir dann eigentlich durch diese Filmproduktion.

Gabriela Kaegi: Für die Foyerversion mussten also die ausgewählten Stücke, die Chöre und Arien und Rezitative gekürzt und neu zusammengefügt werden, und vor allem musste Haydns opulentes Orchester reduziert werden. Denn an Instrumentalistinnen fanden sich neben zwei Geigen ein Saxophon, zwei Gitarren, ein Akkordeon, eine Marimba, Klavier und E-Piano. Das ist bunt und originell, aber eher Haydn-untypisch. 

Männerstimme: Drei, die Bearbeitung

Gabriela Kaegi: …die übergab man dem Komponisten und Arrangeur Daniel Brenner, der sich erst einmal von dieser eigenwilligen Instrumentierung herausgefordert sah.

Daniel Brenner: Weil die Besetzung jetzt keine wäre, die man sich so ausdenken würde, sondern die sich halt so aus dem Casting ergeben hatte. Das war schon spannend, vor allem, weil zum Beispiel die eher tiefen Lagen in den Instrumenten gefehlt haben. Es gab kein Cello, es gab kein Fagott, und insofern war es, glaube ich, wichtig, sich einfach von der der Vorlage auch ein Stück weit zu lösen. Sodass man jetzt nicht versucht, die Haydn-Instrumentierung einfach eins zu eins zu übertragen auf die Instrumente, die wir vor Ort hatten, sondern dass man versucht, den Grundgestus und die Melodie und den Charakter abzubilden, aber eben mit den Mitteln, die diese Instrumente bieten.

Gabriela Kaegi: Ja, aus diesem instrumentalen Gemischtwarenladen einen interessanten Orchesterklang herauszuzaubern, dazu braucht es schon besonders viel Geschick und Erfahrung, wovon Daniel Brenner, der selber auch Schulmusiker ist, genug hat. Dabei hilft ihm sein Pragmatismus, wie er sagt. Aber es gab schon auch besondere Knacknüsse hier bei Haydn.

Daniel Brenner: Ja, es gab von vornherein die Vorgabe, oder das war so besprochen, dass wir die Chöre weitgehend zu lassen, wie sie sind. Da wurden auch gute Ausschnitte ausgewählt, die dann nicht zu schwer zu singen und dann auch auch nicht so schwer zu instrumentieren gewesen sind. Bei den Arien ist es dann schon ein bisschen anders. Also die Arie, die mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat, war die Arie «Rollenden schäumenden Wellen», weil das eine Arie ist, die im Original energischen, vorwärts drängenden Charakter hat, der vor allem dadurch zustande kommt, dass schnelle Bewegungen durchs Orchester wandern, zwischen den Streicherstimmen hin und her. 

[Musik aus dem Stück]

Und das in so eine kleine Besetzung zu übertragen. Diese Gestik, diesen Vorwärtsdrang und diese Energie in so einer kleinen Besetzung zu realisieren und dann aber auch noch so zu machen, dass es nicht zu schwierig zu spielen ist, das war mit die grösste Herausforderung. Das war die Arie, an der ich, glaube ich, am meisten geknabbert habe.

[Musik aus dem Stück]

Männerstimme: Vier, die Transformatoren. 

Gabriela Kaegi: …vermitteln zwischen Schule und Theater. Gleich zwei davon braucht es bei dem langen Vorlauf und den vielen Beteiligten. Diese Rolle haben die beiden Musiklehrer der Gymnasien und Oberwil übernommen, Samuel Strub und Christoph Huldi, und sie tun es, wie Christoph sagt…

Christoph Huldi: Also grundsätzlich finde ich Theaterarbeit immer sehr spannend. Dass die Schülerinnen und Schüler mit dem Theater in Kontakt kommen und diesen Betrieb kennenlernen, ist eine Motivation. Und sie auch mit dieser Musik von Haydn in Kontakt zu bringen und sie lieben zu lernen. Das ist schon längst passiert, jetzt, dass sie das machen, das ist eine weitere Motivation als Musiklehrer. Und überhaupt einfach so eine spannende Sache auf die Bühne zu bringen, reizt immer.

Gabriela Kaegi: Christoph Huldi und Samuel Strub werden abwechselnd jeweils die Foyer-Schöpfung dirigieren, den Chor, die Solistinnen und dieses bunte und zusammengewürfelte Schülerinnen-Orchester. Gespielt wird am Abend, geprobt wurde in den Ferien, an Wochenenden und ein bisschen auch während der Schulzeit. Alles in allem aber viel Arbeit in der Freizeit, und das über eine längere Zeitspanne. Muss Christoph Huldi bisweilen auch ein bisschen Motivationsbooster verabreichen?

Christoph Huldi: Die sind sehr, sehr erfreut, dass sie das machen können. Die sind eigentlich sehr motiviert, durchaus, und es gibt schon manchmal ein Stöhnen, ah das war jetzt anstrengend, aber die Grundmotivation ist sehr hoch.

[Musik aus dem Stück]

Männerstimme: Fünf, die Akteur:innen

Gabriela Kaegi: Drei von ihnen waren so lieb und haben mir nach einem langen Probetag noch ein paar Fragen beantwortet.

Schülerin: Ich bin Lilia, ich spiele Schlagzeug und bin 18 Jahre alt.

Schülerin: Mein Name ist Manon. Ich, bin 17 Jahre alt und spiele die Geige.

Schülerin: Ich bin Annina, ich bin 18, und ich singe Sopran im Chor und solo.

Gabriela Kaegi: So also, warum habt ihr euch zu diesem Projekt gemeldet?

Annina: Also ich bin im Chor und habe auch Musik-Schwerpunkt im Gym Oberwil, und weil ich Gesang-Schwerpunkt habe, war eigentlich klar, dass ich singen muss und dann, dass ich auch wahrscheinlich ein Solopart übernehmen darf, und da habe ich mich natürlich sehr gefreut, und das hat mich dann motiviert, da auch aktiv mitzumachen und mich dafür einzusetzen oder Zeit aufzuwenden dafür.

Gabriela Kaegi: Manon und Lilia, die Geigerin und die Perkussionistin ihrerseits, haben sich erst für den Chor angemeldet, sich dann aber bei einem Casting fürs Orchester qualifiziert. Was… ein Casting?

Annina: Ja, also, es war ein sehr lockeres Casting. Wir hatten einfach die, die ein Solo singen wollten, mussten das Vorbereiten, also verschiedene Stellen oder nur eine Stelle. Dann haben wir uns alle zusammen in einen Raum gesetzt, also nicht einzeln oder so, und haben einfach die ganze, das ganze Oratorium durchgearbeitet. Dann war das auch irgendwie okay so.

Gabriela Kaegi: Und wie kam Lilia ins Orchester? Musste sie vielleicht einen anderen Perkussionisten an die Wand spielen?

Lilia: Nein, ich weiß gar nicht, ob es Perkussionisten gab in Muttenz, aber ich musste ein Stück für Marimba und ein Stück für Schlagzeug vorspielen. Ja, das wars.

Gabriela Kaegi: Und wie ist Manon auf den Konzertmeisterinnen-Stuhl gekommen? 

Manon: Also, ich bin nicht die einzige Konzertmeisterin. Wir wechseln uns ab. Das Casting war sehr simpel. Wir haben einfach ein Stück von uns vorgespielt. Und weil wir halt die einzigen Geigen waren, war das eine einfache Entscheidung. (lacht)

Gabriela Kaegi: Die Schöpfungsgeschichte, die auf der Bühne nachgespielt wird, erzählt von einer Welt, in der alles schön und intakt ist. Tiere, Pflanzen, ja sogar das Menschenpaar ist friedlich. Frage an die drei Akteurinnen. Spielt ihr da heile Welt?

Annina: Ich glaube, das ist auch ein bisschen die Idee von dem Projekt. Wie wir wissen, ist ja auch das, was im zweiten Teil eigentlich gezeigt wird, was aus der Schöpfung von Haydn oder aus dieser Schöpfung, die beschrieben wird, eigentlich geworden ist. Und wie wir, also der Mensch, das grosse Geschöpf, das da am Ende des ersten Teils noch beschrieben und gepriesen wird, es eigentlich geschafft hat, diese ganze Schöpfung so ein bisschen zunichte zu machen. Ich glaube, das ist auch ein sehr wichtiger Aspekt dieses Stücks, dass es nicht darum geht, es ist einfach alles gut, sondern das soll auch so sein, dass man nicht einfach sich denkt, ach, das war jetzt schön, sondern dass man irgendwie auch merkt, so, oh, wir haben vielleicht ein Problem mit dieser Schöpfung, oder wir behandeln diese Schöpfung nicht so, wie wir sie behandeln sollten. 

Lilia: Also ich finde es schon toll, dass sie den Kontrast zeigen.

Gabriela Kaegi:: Eine Frage zum Text. Die Bibel kennt ja nichts. Sie erzählt uns nach wie vor, dass der Mann die Krone der Schöpfung sei und Eva aus seiner Rippe geschnitten wurde. Wie gehen die Jungen damit um? 

Manon: Glaube ich gerade besprochen, ob das geändert werden soll, von Mann zu Mensch. Aber ich weiss nicht genau, was so der Teil ist. Wir haben im Moment Jana, also eine Frau, die den Teil singt, dass der Mensch ein Mann und König der Natur. Ich finde, es hat auch so eine gewisse Ironie. Also ich finde es eigentlich ganz lustig, dass wir das so drin behalten. Aber ich glaube, es wird eigentlich sehr deutlich, dass wir das nicht ernst meinen mit der Mensch, ein Mann. Ich glaube, die Person, die den Mensch spielt, ist auch kein Mann. Also natürlich muss man sich kritisch damit auseinandersetzen, weil es ist eigentlich schon, es ist schon sehr, sehr veraltet. Aber ich denke, wir… in der Inszenierung kommt es eigentlich recht ironisch rüber. Die ganze «der Mensch, ein Mann»-Stelle.

Männerstimme: Sechs, die Sinnfrage.

Gabriela Kaegi: Muss die zum Schluss also doch noch gestellt werden? Ja, sie muss also Niels Nuijten. Wozu das ganze?

Niels Nuijten: Natürlich gibt's irgendwie Statements oder Gedanken – sehr viele Gedanken – hinter dieser Produktion. Aber es soll auch eine ästhetische Erfahrung sein, eine Schönheitserfahrung sein, die man da mitkriegt. Aber natürlich gibt's da die Gedanken dahinter über unsere Welt, darüber, was wir eigentlich aus dieser Schöpfung gemacht haben. Und das ist deswegen natürlich auch nicht zufällig mit Jugendlichen zu arbeiten, weil die sind ja natürlich die Zukunft, wie wir es oft sagen. Und was ist ihre Zukunft eigentlich in dieser Stadt, und damit geht es eigentlich immer darum, was ist eigentlich echt und was ist falsch? Was ist jetzt die reale Welt? Und in welche Welt schicken wir die Jugendlichen eigentlich jetzt raus? Und das fragen sie sich am Abend, und ich denke, das werden wir uns, das Publikum auch fragen. 

Männerstimme: Sieben, die…

Gabriela Kaegi: Nee nee, nee nee Schluss jetzt, am siebten Tag wird geruht oder noch besser, ins Theater gegangen zur Basler Schöpfung ab dem 22. April!

[Musik aus dem Stück]