Kaegis Klaenge: Verdis Oper der Superlative Don Carlos

Kaegis Klaenge: Verdis Oper der Superlative

‹Don Carlos› Info


Kaegis Klänge, ein Podcast des Theater Basel

Gabriela Kägi
Don Carlos, Don Carlos oder Don Carlo ist die Geschichte des spanischen Infanten, aus der ein deutscher Dichter ein Drama machte, das zwei französische Librettisten übersetzten, ein italienischer Komponist vertonte und schliesslich in der französischen Nationaloper uraufgeführt wurde. Ich bin Schweizerin. Gabriela Kaegi ist mein Name. Hallo und Willkommen zum Podcast des Theater Basel. 

[Musik]

Gabriela Kaegi: 
Giuseppe Verdis ‹Don Carlos› also im Theater Basel. Nun ist es allerdings so, dass es von dieser Oper insgesamt sieben Versionen gibt. Mal mit 4, mal mit 5 Akten, mal italienisch, mal französisch gesungen, mal mit, mal ohne Ballett. Mal etwas über 3 Stunden Spieldauer. Oder auch mal so, dass man die letzte Tram nicht mehr erwischt. Alles in allem ist es eine rechte Leidensgeschichte. Und Verdi hat insgesamt 17 Jahre daran gearbeitet. Gekürzt, gestrichen, umgestellt, verbessert und auch verschlechtert. Mit anderen Worten: Die Basler Produktionsleitung des Don Carlos musste erst einmal ein paar grundsätzliche Entscheidungen treffen und sich dann für eine Version entscheiden. 

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Hier in Basel hat man die fünfaktige französische Version gewählt. Und warum? Das erklärt uns der Dramaturg Roman Reger.

Roman Reeger:
Wir hier in Basel haben uns recht schnell eigentlich dafür entschieden, die französische Fassung zu machen. Einmal natürlich aufgrund der Grenznähe, aber natürlich in erster Linie inhaltlich, weil ich glaube, dass diese französische Fassung die kompletteste ist. Im Gegensatz zu den Bearbeitungen, wo sehr viel gestrichen wurde, sehr viel rausgenommen wurde und auch so dramaturgisch einige Fäden offen bleiben. Ich finde, in der französischen Fassung wird dieses Gesamtwerk Don Carlos von Verdi am besten sicht- und spürbar.

Gabriela 
Überlebt ein Franzose überhaupt fünf Stunden Musik? Das hat sich der Schriftsteller Henri Rochefort nach der Uraufführung in Paris 1867 gefragt. Auch wenn der Dramaturg Roman Reger eben von der Originalfassung gesprochen hat, die man hier wählte – es wird nicht fünf Stunden dauern. Denn auch hier hat man ein paar grössere und kleinere Striche gemacht, sodass man durchaus jetzt von einer Basler Fassung von Verdis Don Carlos sprechen kann. Die Länge ist nur eine von vielen Opulenzen dieses Werkes, wobei man sagen muss, dass das weniger mit Verdi als vielmehr mit der Masslosigkeit der Pariser Opéra zu tun hatte. Da wurde nicht gekleckert, da wurde richtig geklotzt mit historischen Themen, mit religiösen Themen, wofür man auch entsprechende monumentale Szenen brauchte, in ebensolchen Bühnenbildern und Kostümen. Nicht von ungefähr heisst dieses Genre: Grand Opéra. Eine Gattung übrigens, die nur am Théâtre de l’Opéra gespielt werden durfte. So hiess damals die heutige Opéra Nationale de Paris. Für Verdis Don Carlos gab es damals insgesamt 270 Proben bis zur Uraufführung. Das ist mehr als das Doppelte von heute. Auf jeden Fall muss ein Theater das alles mit einberechnen, wenn es sich für Don Carlos entscheidet und kommt auch dann noch ziemlich unter Strom. Oder Roman Reger?

Roman Reeger:
Ja, das ist tatsächlich so, dass diese Oper eine grosse Kraftanstrengung ist für eine Haus. Das hat einmal mit diesen grossen Chören zu tun. Aber auch, dass es hier ein Solistenensemble gibt, das man sehr gut besetzen muss, glaube ich. Es ist eine Oper, die sehr stark von Figuren und Sängertypen abhängt. Es gibt da diese drei Baritone, die man sehr genau auswählen muss, nach Stimmfarbe, aber auch nach Charakter. Es gibt eine unglaubliche Vielzahl von Ensembles innerhalb dieser Chorgruppen, die man besetzen muss. Also besetzungtechnisch ist es eine grosse Herausforderung einerseits. Es gibt auch eine grosse Bühnenmusik und man merkt natürlich diese ganze Leistungsfähigkeit, die die Pariser Oper im Jahr der Weltausstellung damals auch zeigen wollte. Das können wir natürlich immer nur schwer imitieren. Und es gibt auch gar keinen Grund, das eins zu eins imitieren. Aber man muss einen Weg finden, natürlich, das alles zusammenzubringen. 

Gabriela:
Aber es hält euch ganz schön auf Trab, oder?

Roman Reeger:
Das ist so, ja, ich man könnte sagen, dass das doch in der Vorbereitung, insbesondere in der Planung, sehr aufwendig ist und auch auf den Proben natürlich organisatorisch ein riesen Aufwand ist. Aber gleichzeitig ist man auch beglückt und und freut sich, wenn man diese grosse Oper am Ende sieht.

[Musik]

Gabriela Kägi:
Singende Menschenmengen und Volksaufläufe sind einerseits das Merkmal einer Grand Opéra, auch in Don Carlos. Dafür hat Verdi eingängige Chöre komponiert. Aber andererseits, wie sonst in keiner seiner anderen Opern, gibt es zahlreiche Duette. Don Carlos ist voll mit Situationen, wo sich zwei Menschen Etwas anvertrauen, gestehen oder im Piano zuflüstern. Wie passen diese kammerspielartigen Szenen in den grellen Scheinwerfer einer Grand Opéra. Ist es nicht fast ein Widerspruch?

Roman Reeger:
Ich glaube, dass es Verdi geschafft hat, diesen Widerspruch aufzulösen bzw. in eine neue Form zu bringen. Bei Don Carlos ist das ganz wunderbar zu sehen, denn in dieser Zeit merkt man diesen Einfluss dieser Opéra, gleichzeitig natürlich den Einfluss des Melodrama, also seiner auch teilweise intimen Kompositionen und Opern, die er davor geschrieben hat. Von Traviata, Rigoletto. Und diese beiden unterschiedlichen Formen bringt er eigentlich übereinander. Es gibt grosse Tableaus, Chortableaus, grosse öffentliche Szenen, es ist ein politisches Werk, besonders in der Interpretation von Verdi. Gleichzeitig gibt es aber diese vielen intimen Kammerszenen, diese besondere Figurenkonstellation und ich finde, man kann da Don Carlos und Aida, was ja wenige Jahre darauf entstanden ist, ganz gut miteinander vergleichen. Das sind ähnliche Formen in der Mischung von grossen Tableaus, grossen politischen, öffentlichen Vorgängen einerseits und eben diesen Liebes- und Kammergeschichten andererseits.

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Don Carlos und sein Freund Rodrigo Marquis de Posa besingen die Freundschaft in Sexten und Terzen, wie es sonst in der Oper Liebespaare tun. Und bei dieser Innigkeit der Musik und auch des Textes ist auch von Liebe die Rede, bis in den Tod. Da kann man sich durchaus fragen, was eigentlich wirklich gemeint ist. Wie auch immer, hier singen zwei Männer zusammen, ein Tenor und ein Bariton. Das kommt nicht oft vor in der Oper, aber doch ab und zu. Andere Duette, die Verdi für seinen Don Carlos schrieb, sind schon eher Raritäten, wie zum Beispiel der Dialog zwischen dem Marquis Posa und dem König Philippe, wo der Bariton den Bass um Freiheit für Flandern bittet. Aber gänzlich aussergewöhnlich ist die Szene für zwei Bässe, wo König Philipp mit dem Grossinquisitor um die Macht, die Vorherrschaft und um das letzte Wort streitet. Kirche versus Staat. 

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Mit diesem hinkenden, schlurfenden, aber dräuenden Motiv kündigt Verdi den Kirchenmann an. Ein Greis, blind, der von zwei Mönchen gestützt werden muss. So die Regieanweisung im Libretto. 

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Und jetzt folgt ein Dialog im Parlando zwischen den zwei Bässen, den zwei schwarzen Bässen, die zudem auch noch von ausschliesslich tiefen Instrumenten begleitet werden. Drei Fagotte, ein Kontrafagott, Posaunen, Celli, Kontrabässe, dazu Pauken und grosse Trommel, eine düstere und unheimliche Szene. Nur in der Mitte rastet der Grossinquisitor aus. Man wundert sich über die Leidenschaft, die plötzlich aus ihm herausbricht, auch musikalisch:

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Doch kehrt er am Ende zu seinem löchrigen, hinkenden Motiv zurück. Und schlurft schliesslich als Sieger aus diesem Duell. König Philipp willigt ein, dass Posa sterben muss. 

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Zu mir an den Kantinentisch im Theater Basel hat sich jetzt der Grossinquisitor gesetzt: Vazgen Gazaryan, noch lange nicht 90, und schon gar nicht tattrig. Deshalb auch:

Vazgen Gazaryan:
Wir machen etwas anders und das kam durch Improvisation. Auf den ersten Proben habe ich ein bisschen improvisiert, was meine Vorstellung ist. Ich wollte, wie gesagt, keinen so klischeehaft 90-jährigen, auf Krücken laufenden Mönch spielen, sondern etwas jünger. Und ich habe das so in einem italienischen «Godfather», Mafia-way improvisiert abgeliefert. Der Regisseur hat das gemocht und wir haben daraus irgendwie so etwas Interessantes gemacht.

Gabriela Kaegi:
Also auch keinen hinkenden Godfather.

Vazgen Gazaryan:
Das mache ich immer gerne so witzig auf der Probe, wie der Terminator, mit schweren Schritten [singt]. Man sieht direkt wer kommt.

Gabriela Kaegi:
Zu uns an den Kantinentisch hat sich jetzt auch der Bassbariton Nathan Berg gesetzt. Er singt den König Philippe und er mag diese Mafia-Idee seines Kollegen Vazgen.

Nathan Berg:
The Mafia Idea is quite interesting for the end of the scene. I kiss the ring of the inquisitor…

Vazgen Gazaryan:
Was auch Improvisation ist (lacht) und das hat wieder der Regisseur gemocht. Deswegen blieb es.

Gabriela Kaegi:
Ja und wer von Ihnen beiden hat die tiefere der tiefen Partien?

Vazgen Gazaryan:
Ich muss sagen, der Inquisitor ist deutlich tiefer. Das ist nicht leicht…

Nathan Berg:
It’s not an easy role, it’s a tough role.

Gabriela Kaegi:
Nathan fügt hinzu, dass Philipp zwar die grössere Rolle ist und er mehr zu singen hat. Aber einmal in diesen stimmlichen Anforderungen drin, ist es dann doch einfacher als beim Grossinquisitor, der einmal auftritt, singt und wieder verschwindet. Bei der Uraufführung 1867 in Paris gab es offenbar Streit zwischen den zwei Bässen, weil der Grossinquisitor unzufrieden war und gerne mehr zu singen gehabt hätte. Was Vazgen auf die Idee bringt, von jenem Regisseur zu erzählen, der jüngst in einer Don Carlos Inszenierung die beiden Rollen Grossinquisitor und König Philipp von ein und demselben Sänger hat singen lassen.

Vazgen Gazaryan:
Diese Idee fand ich sehr toll, weil er sagt, dass er im ganzen Duett alleine singt. Also der Inquisitor sein zweites, sein ,Alter Ego ist. Und diese Idee fand ich toll. (lacht)

Gabriela Kaegi:
Kann man die Magie, die von dieser Musik ausgeht, beschreiben? Nathan Berg versucht es:

Nathan Berg:
(aus dem Englischen übersetzt) Verdi hat ja eigentlich für jede Szene eine neue Musiksprache erfunden, was ich faszinierend finde. Vor diesem Duett schreibt er die grosse Arie von Philipp mit schönen Linien und einem hinreissenden Cellosolo und daraufhin, völlig unerwartet, folgt dieses dunkle, minimalistische Duett mit zwei Bassstimmen. Das ist schon
Stark.

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Man sagt, Verdi hätte mit zunehmendem Alter die tiefen Instrumente bevorzugt. Schaut man Don Carlos an, was nach 25 Opern dann seine fünftletzte wurde, trifft das eigentlich schon zu. Zwei Frauenstimmen versus fünf Männerstimmen. In den grossen und mittleren Partien davon ein Tenor und die anderen vier in den tieferen Registern, im Orchester vier Fagotte oder drei Fagotte plus ein Kontrafagott, dazu Hörner, Posaunen und wie eben im Duett nur tiefe Streicher. Darüber möchte ich mehr erfahren und treffe mich mit der Expertin, Magdalena Welten, Fagottistin vom Sinfonieorchester Basel. Und hier in der Don Carlos Produktion spielt sie auch das Kontrafagott. Wann setzt Verdi denn Fagott ein und welche Rolle gibt er dem Instrument?

Magdalena Welten:
Also, ich denke, vor allem das Solo-Fagott ist viel Tenorlage viel in – die schönen Melodien, die man von Verdi kennt (lacht) und dann quasi dann im Ganzen viel, viel mit dem tiefen Blech oder so markante tiefe Dinge, wenn es tragisch, traurig wird. Ja, Trauermarsch und solche Dinge, die gehören dann zu den tiefen Fagotten dazu.

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Vier Fagotte im Tun, im ersten Akt, im zweiten Akt, im dritten Akt und dann im vierten Akt nach König Philipps Arie, legt Magdalena Welten ihr Instrument zur Seite und greift nach dem Kontrafagott. Nur für dieses eine Duett zwischen König und Grossinquisitor.
 
[Musik]

Gabriela Kaegi:
Allerdings ist es auch hier nicht so, dass, wenn dann endlich, einfach volle Kanne geblasen werden soll. Wenn ich das mal etwas flapsig sagen darf…

Magdalena Welten:
(lacht) …sondern eben misterioso pianissimo, denke ich, bedrohlich. Das ist, denke ich, die Färbung, die dies dort hat, das ist etwas aus der Tiefe, das Bedrohliche eigentlich, was das dann symbolisiert.

[Musik]
Gabriela Kaegi:
Es könnte fast den Anschein machen, Don Carlos wäre eine reine Männeroper. Stimmt aber nicht. Es gibt zwei tragende Frauenrollen. Eine von ihnen ist Elisabeth von Valois, die eigentlich dem spanischen Infantin Carlos versprochen war, ihn auch liebt, er sie auch, aber aus staatspolitischen Gründen den Vater König Philipp heiraten muss. Ihre Leidenschaft kann sie im Gegensatz zu Carlos unter Kontrolle halten, obschon sie durch und durch unglücklich ist, sodass sie am Ende den Freuden der Welt entsagt. Die zweite Frau neben Elisabeth ist die Prinzessin Eboli. Eigentlich liebt sie Don Carlos, ist aber auch die Geliebte des Königs. Aus Eifersucht intrigiert sie gegen die Königin. Und als schliesslich alles auffliegt, geht sie ins Kloster. Verdi, der ja ein Herz hat für Mezzosoprane, zeichnet hier eine junge, schöne, aber auch bemitleidenswerte Person, eine unglücklich Liebende, die aus Verzweiflung handelt, schliesslich aber aus ehrlichem Herzen Reue zeigt. Eboli verfügt über eine grosse Palette von Gefühlen, neben ein paar guten, eben auch ein paar unschöne. Aber sie gehört zu jenen Figuren, die das Drama am Laufen halten. Sie ist also wichtig. Und deswegen habe ich die Sängerin der Eboli, Kristina Stanek, zu mir an den Kantinentisch eingeladen. Die Eboli, Frau Stanek, in ihrer ganzen Ambivalenz. Wie wird die von Verdi musikalisch ausgestattet?

Kristina Stanek:
Na ja, das ist eine Mezzosopran-Partie. Es geht ständig in die Tiefe als auch in die Höhe. Die ganze Partie hat ständig einen sehr hohen Ambitus zu bieten und man muss ständig wechseln zwischen Brustregister und Kopf, oder wie man es bezeichnen mag. Wobei auch da muss man vorsichtig sein, weil in der französischen Oper ist es eigentlich nicht so gerne gesehen bzw. man verwendet als Mezzo da eigentlich kaum die Bruststimme. Was aber finde ich bei einem französischen Verdi anders ist.

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Liebe und Leidenschaft treiben die Prinzessin an, sagt Kristina Stanek.

Kristina Stanek:
Und das sind alles Dinge, zum Beispiel, in der Zeit – sie ist… Allein, dass sie eine Frau ist, macht sie zu einer machtlosen Person. Und vielleicht hat sie gerade deshalb diesen Posten der Mätresse angenommen, um ein wenig mehr Macht zu bekommen für sich als Frau. Und Ihre Frage zu der Musik: Ich kann nur sagen, der Moment, in dem sie Elisabeth gesteht, dass sie es getan hat, das ist für mich mit einer der rührendsten Moment der ganzen Partie, meiner ganzen Rolle. Da kämpfe ich wirklich mit den Tränen.

[Musik] 

Gabriela Kaegi:
Auf der Probe: Kristina Stanek als Eboli an ihrer Seite, Yolanda Auyanet als Elisabeth. Und das energische Seitenwenden und der gelegentliche Zuruf kamen vom Dirigenten Michelle Spotti. Ihn treffe ich nach der schweisstreibenden Probe.
Don Carlos, Michelle Spotti, das ist die Oper der Superlative, lang wie sonst keine andere, mit extrem viel Personal auf der Bühne und vermutlich auch dahinter. Die düsterste von Verdis Opern, diejenige mit den tiefsten Instrumenten und den tiefsten Stimmen. Und vielleicht auch eine von denen, die den Dirigenten regelrecht auf einen Marathon schickt.

Michele Spotti:
(Übersetzt aus dem Französischen) Da bin ich einverstanden. Es ist für uns alle eine Herausforderung. Für das Theater, für den Regisseur und auch für den Dirigenten, aber auch für die Sänger. Eine Rolle wie Don Carlos ist sehr anstrengend, denn er hat viel zu singen. Aber wenn man sich darauf einstellt und die Kräfte einteilt, dann geht es und man kommt glücklich bis zum Schluss. 

Gabriela Kaegi:
Auch für den Chef? Was würden sie als das Besondere dieser Partitur bezeichnen?

Michele Spotti:
(Übersetzt aus dem Französischen) Das ist eine unglaublich schön gemachte Orchestrierung, so schön wie nur noch beim Falstaff, seiner letzten Oper. Und wir haben eine ganze Menge Erinnerungsmotive in dieser Oper. Das Freundschaftsmotiv, das Liebesmotiv, das Motiv des Grossinquisitors. Aber Verdi erinnert sich auch an seine früheren Opern. Traviata höre ich im vierten Akt, im Quartett. Und sogar im Duett zwischen Philippe und dem Grossinquisitor bin ich an Traviata erinnert, wo das Dunkle vorherrscht. Also ohne blasphemisch sein zu wollen, denke ich schon, dass Verdi hier musikalische Leitmotive verwendet, wie es auch Wagner getan hat. Und so treffen sich die beiden Genies dann doch, obschon sie eigentlich zeitlebens Kontrahenten waren. Das ist das Schöne an der Kunst. Man kommt zu einem gleichen Ziel, aber über verschiedene Wege.

Gabriela Kaegi:
Verdis Leitmotive haben auch grosses Ohrwurmpotenzial im Gegensatz zu denen Wagners. Das Liebesmotiv, das Freundschaftsmotiv oder auch diese immer wiederkehrende Vorschlagsnote…

[Musik]

Gabriela Kaegi:
Das sind wahre Ohrwürmer, die klingen lange nach oder überfallen einen ganz plötzlich beim Zähneputzen oder sonstwo. Wie es eben Ohrwürmer so tun. Und wie ist es bei Michele Spotti? Was hat sich bei ihm eingenistet und lässt ihn nicht mehr los? Der Dirigent ist so nett und singt seine Lieblingsohrwürmer zum Schluss. Der eine ist aus Philipps Arie, den anderen singt der sterbende Posa:

[Spotti sing]

Gabriela Kaegi:
Don Carlos, Verdis Oper der Superlative, mit den tiefsten Bässen, den dramatischsten Mezzosopran und den schönsten Ohrwürmern ist zu hören und zu sehen ab 13. Februar im Theater Basel.