Kaegis Klaenge: Mit Komponistin Anna Bauer Die Mühle von Saint Pain

Kaegis Klaenge: Mit Komponistin Anna Bauer

‹Die Mühle von Saint Pain› Info

Kaegis Klaenge Ein Podcast des Theater Basel.
Gabriela Kägi:
Hallo, schön, dass ich über meine Begeisterung für Theater, Musik und Klänge hier erzählen kann. Ich habe im Theater Basel jemanden kennengelernt.

Anna Bauer:
Ich bin Anna Bauer. Ich bin Musikerin und Komponistin. 

Gabriela Kägi:
Die Musikerin Anna Bauer singt wie eben und spielt Piano. Die Komponistin Anna Bauer schreibt Musik für Filme, für Commercials und für Theater nach Basel, ans Theater hier ist sie angereist, gekommen mit einer ganzen Reihe neuer Musiken im Gepäck für ein neues Stück, das am 22. Oktober Premiere hat. Die Mühle von Saint Pain. Ein Schauspiel mit Musik, eine Oper vielleicht oder eine Schauspieloper? Auf jeden Fall eine Produktion auf der grossen Bühne und mit Orchester und mit Chor und Dirigent und richtig grossem Besteck. Passend zum Thema des Stückes hat das Produktionsteam auch bestehende Musiken ausgewählt von Dimitri Schostakowitsch, Gustav Mahler und Mozart. Mehr darüber erzählt dann der Dirigent Thomas Wise. So auf Tuchfühlung zu gehen mit diesem Schwergewicht an der Musik. Das war für Anna Bauer erst einmal:

Anna Bauer:
Sehr beängstigend und das ist natürlich ein besonderer Auftrag, weil man, finde ich, nicht da reingehen sollte in das gleiche Feld oder versuchen, es nach zu komponieren. Ich habe eher gedacht, ich muss was anderes dagegen setzen, was eigentlich viel doller auch im Hintergrund laufen kann, was eigentlich auch ein Bild braucht und ein Text, damit es vollständig wird. Das finde ich bei Schostakowitsch gar nicht. Das ist schon an sich, wenn man das hört, eine ganze Welt und meine Sachen sind viel minimalistischer und schmaler und die brauchen eigentlich noch mal die Arbeit vom Theater, um ausgefüllt zu werden.

[Musik]

Gabriela Kägi
Die Mühle von Saint Pain ist insofern eine besondere Produktion, als dass der Regisseur Antu Romero Nunes eine fürs Stadttheater unübliche Arbeitsweise hat und zusammen mit seinem Team, zu dem auch Anna Bauer schon länger gehört, die Stücke jeweils entwickelt. Für Saint Pain gibt es eine literarische Vorlage, es gibt auch bereits im Sommer eine geschriebene Version, aber das meiste passiert auf den Proben, wenn alle Beteiligten dabei sind mitdenken, mitspielen, mitdiskutieren. Ein Werk, das sozusagen aneinander wächst. Und die Komponistin? Was bedeutet das für Anna Bauer? Auch sie hat im Sommer mit Arbeiten angefangen, hat Ideen und Rhythmen notiert, Stimmungen, Emotionen, einzelne Motive und ganze Songs. Und damit ist sie nach Basel gereist. Aber seither ist noch einiges dazugekommen.

Anna Bauer:
Ja, da gibt es eine Bandkomposition oder eine Band Position. Die waren am Anfang stumm und jetzt spielen sie und dann spielen sie am Ende noch mal. Also diese Sachen musste ich machen. Auf jeden Fall. Es gab dann neue Dinge, die fielen und auch Dinge, die unter Text laufen können. tatsächlich ein Song, der nicht klar war. Ich habe noch ein bisschen geschrieben.

[Musik]

Gabriela Kägi:
Für das Theater Musik zu schreiben ist nichts für Menschen mit einem allzu großen Ego. Denn es kommt halt schon vor, dass für die eine Szene mehr Musik verlangt wird, weniger für die andere, leisere Musik, lautere Musik, Musik zu präsent, Musik deckt, stört etc. etc. Das kann ja auch ganz schön frustrierend sein. Anna, was meinst du?

Anna Bauer:
Natürlich, das ist eine Riesenarbeit. Also dieses Kürzen, Verändern, das ist eigentlich die Arbeit. Ich finde diese zentrale Idee, wenn sie gut ist, dann geht es viel besser. Man merkt, irgendwas stimmt nicht an der Komposition, dann ist es schwer sogar. Aber das ist ja auch der Prozess. Also ich denke ja immer, dass die Dinge sind ja im Prozess eigentlich am spannendsten und was man dann am Ende hat, ist ja immer eine Zusammenarbeit hoffentlich. Ich habe manche Sachen schon wahnsinnig überarbeitet und verändert und die sind manchmal ganz gut geworden und manchmal sind sie weniger als sie mal waren. Es ist eine total interessante Aufgabe, finde ich.

Gabriela Kägi:
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob an dieser Musik etwas verändert werden musste, aber es klingt schon ganz gut, wie dieser zarte und gleichzeitig kalte Schnee in Saint Pain vom Himmel herab tanzt.

[Musik]

Gabriela Kägi:
Dann hören wir uns doch noch etwas mehr tiefer in Annas Musik hinein. Mit Hilfe der Komponistin. Es ist der Soundtrack zu einer Familiengeschichte. Vater tot, Mutter tot. Die vier Kinder, zwei Buben und zwei Mädchen sind allein gross geworden in der Mühle von Spain. Jetzt, nach langer Zeit, kommen sie als Erwachsene nach Hause zur Beerdigung ihrer Schwester, die sich das Leben genommen hat. Simon, Ruben, Judith und die tote Krabat, die auch herumgeistert, sind lauter eigenwillige und kantige Figuren. Und prompt ist der Family Horror auch gleich wieder da. Und die Musik? Wie charakterisiert sie diese Typen?

Anna Bauer:
Ich glaube schon, dass sich irgendwas Geisterhaftes gesucht habe in der Musik. Für mich ist das eine Geschichte eines Geistes. Also Krabat kehrt wieder, um die Geschwister an deren Kindheit zu erinnern. Und das ist auf jeden Fall das, was ich gesucht habe. Also die Leerstelle in den Tönen, die ich geschrieben habe, oder die Erinnerung sozusagen.
 
[Musik]

Anna Bauer:
Und die einzelnen Charaktere der Ruben kommt aus Südamerika, der kriegt ein Western-Thema. Das ist natürlich auch noch von dieser Western-Idee überlappt, aber der kommt wieder und der ist immer mit seiner Band auf der Bühne und das ist ein bisschen latin angehaucht und ich finde eigentlich auch, dass das irgendwie diesem Stück steht, komischerweise, obwohl es ganz anders spielt. 

[Musik]

Anna Bauer:
Simon hat ein Thema bekommen. Das ist ein relativ grosses Lied, ist ein bisschen Wood Kid, das ist ein Sänger und Musiker. Das hat so große Brüche drin. Es ist eigentlich so, er sollte eigentlich wegfliegen in dem Moment und das hat ein ganz triumphales, aber sehr trauriges Hauptthema. Und dann gibt es eher eine poppige Versform und dann stimmt der Chor mit ein und er verschwindet sozusagen. Das ist seine Abtrittsmusik. Ruben kriegt Auftrittsmusik, Simon kriegt Abtrittsmusik.

[Musik]

Gabriela Kägi:
Und Krabat, die Tote, die einst zwar versuchte, die Familie zusammenzuhalten, sie gleichzeitig damit aber auch terrorisierte, die tote Krabat, die wiederkehrt, die kriegt also eine Musik mit vielen Leerstellen.

Anna Bauer:
Ja, ich habe da viel drüber nachgedacht. Wie kann man das Geisterhafte bauen? Und das hat jetzt ein Pizzicato-Thema, so ein ganzes minimalistisches, das in Oktaven sich bewegt, in einer grossen Ruhe. Aber es hat, finde ich, ein bisschen was geisterhaftes, weil da so viel Luft drin ist, ganz wenig Legato, es schwebt eigentlich.

[Musik]

Gabriela Kägi:
Anna Bauer, die eigentlich aus der Popmusik kommt, wie sie selber sagt, hat auch vier Songs geschrieben. Dorma heisst das Familienlied, das die isländische Mutter, die Opernsängerin, immer sang. Im Stück, wenn das Lied erklingt als Erinnerung an die Kindheit, finden es die vier einfach nur kitschig. Also Anna, einen kitschigen Song zu schreiben, ist das ein besonderes Vergnügen?

Anna Bauer:
Ich weiss nicht, ob das Stück zuerst war, aber die Autoren haben das reingeschrieben. Also ich weiss es gar nicht genau. Aber ich glaube, es war da. Es war klar, dass es ein Wiegenlied geben muss. Und dann habe ich das gefunden.

Gabriela Kägi:
So, also es ist ein existierendes Volkslied?

Anna Bauer:
Das habe ich selber geschrieben.

Gabriela Kägi:
Ach, so «gefunden», bei dir gefunden.

Anna Bauer:
Bei mir selber gefunden, im Kopf, genau. Und das ist aber so zierlich und wirklich sehr eingängig, dass es sein könnte, dass es vielleicht schon ewig da ist. Das ist auf jeden Fall mein Wunsch und dass es auf mehreren Sprachen funktioniert, ist eigentlich ein ganz gutes Zeichen dafür, dass das eine Universalität hat. Und das ist ja eine wichtige Sache, wenn man so tut, als würde man ein Volkslied schreiben, so wie.

[Musik]

Gabriela Kägi:
Durch Annas Musik fällt mir auf, wie sie für die Mühle von Saint Pain geschrieben hat. Durch Annas Musik geht eigentlich immer ein melancholischer Zug. Ist es jetzt nur hier und wegen der Geschichte? Oder ist das so ganz grundsätzlich Anna?

Anna Bauer:
Also melancholisch ist bestimmt die Farbe, in der ich mehr zu Hause bin als in anderen Farben. Das ist auch manchmal ein Problem. Aber das ist auf jeden Fall das Erste, was mir kommt. Das sind meistens Themen, die eher eine Melancholie in sich tragen. Aber natürlich, das Thema Tod einer Schwester und eine Beerdigung steckt ja da auch drin. Also das kann man erzählen, kann es auch ganz lustig erzählen, aber ich weiss immer auch nicht genau, was lustige Musik ist. Ich habe es manchmal probiert, denn ich schreibe am Klavier. Ich hatte immer das Gefühl, irgendwie stimmt das nicht, also dann finde ich das lustig, dann so ein Mexiko-Thema aufzumachen oder ein bisschen Lettland oder Volksmusik und das passiert dann auch. In aller Melancholie habe ich diese Twists auch drin.

Gabriela Kägi:
Was kann Musik besser als Worte?

Anna Bauer:
Kann sofort eine Stimmung setzen und kann unglaublich schnell sehr, sehr nahe kommen. Und da gibt es Widersprüche und Probleme, weil das manchmal natürlich auch was vorausnimmt, was der Schauspieler noch gar nicht erzählt hat. Und damit haben wir gerade ganz viele Themen und auch Probleme, weil manchmal ist das noch gar nicht erstellt. Und dann kommt so eine Musik, die einen abholt und woandershin bringt. Und da müssen wir die ganze Zeit ist es ein Timing. Aber Musik kann schnell bei einem sein.

Gabriela Kägi:
Die Mühle von Saint Pain mit Musik von Anna Bauer hat am 22. Oktober Premiere im Theater Basel. Das war's. Und der nächste Podcast kommt bestimmt.