«‹The Square› ist nicht mehr wegzudenken»

Ein Quadrat als Zufluchtsstätte, in der Vertrauen und Achtsamkeit herrschen. Hier haben alle die gleichen Rechte und Pflichten.

Angela Osthoff: Elna Svenle, Sie leiten das Museum Vandalorum für Kunst und Design in Värnamo. Vor fünf Jahren haben Sie dort zusammen mit dem Filmregisseur Ruben Östlund und seinem Produzenten Kalle Boman eine Ausstellung unter dem Titel ‹The Square› realisiert. Zwei Jahre später wurde der gleichnamige Film in Cannes mit der Goldenen Palme prämiert. Mich interessiert, wie Ausstellung und Film miteinander zusammenhängen, und worum es in der Ausstellung ging. 

Elna Svenle: 2015 hatten wir Kalle Boman eingeladen, eine Ausstellung bei uns zu machen. Und er hat vorgeschlagen, Ruben Östund mit an Bord zu ziehen. Gemeinsam haben sie dann an einer Ausstellung gearbeitet, in der das Thema Vertrauen im Mittelpunkt stand. Das Vertrauen, das wir unserem Gegenüber entgegenbringen, oder eben auch nicht. Es ging auch um die Frage, wo die Verantwortung des (Sozial-)staates endet und wo die individuelle Verantwortung beginnt. Das soziologische Phänomen des Vertrauens wurde in der Ausstellung von verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachtet. Am Eingang zur Ausstellung wurden die Besucher:innen zum Beispiel gefragt, ob sie ihren Mitmenschen vertrauen, oder nicht. Wenn man als Besucher:in diese Frage mit «ja» beantwortet hatte, gelangte man in einen Raum, in dem man aufgefordert wurde für die Dauer des Museumsbesuches Handy und Geldbeutel auf einem Podest zu deponieren. Die meisten Besucher:innen sind dieser Aufforderung nachgekommen und kein einziger Wertgegenstand wurde geklaut.

AO: Herzstück Ihrer Ausstellung war das titelgebende Kunstwerk ‹The Square›. Es existiert bis heute auf dem Marktplatz von Värnamo. Mittlerweile gibt es sogar zwei Duplikate in Norwegen. Wie reagieren die Menschen auf diese spezielle Skulptur? 

ES: Vor ungefähr fünfzehn Jahren hatte Kalle Boman bereits die Idee ein physisches Quadrat, eine Freifläche von drei auf drei Metern, im Stadtzentrum von Stockholm zu installieren. ‹The Square› sollte ein Ort sein, den man aufsuchen kann, wenn man irgendeine Form von Hilfe benötigt. Und die Verabredung war, dass Passanten die Pflicht haben, diese Hilfe auch zu leisten. Bomans Idee wurde damals allerdings nicht umgesetzt. Im Rahmen der Ausstellung hat der Stadtrat in Värnamo die Idee dann wieder aufgegriffen: Der erste physische ‹Square› wurde am Tag unserer Ausstellungseröffnung – nur ein paar Kilometer von unserem Museum entfernt – eingeweiht. Es ist seitdem nicht mehr aus der Stadt wegzudenken und wird intensiv bespielt. ‹The Square› hat sich in den letzten fünf Jahren als ein Ort etabliert, den die Bürger:innen von Värnamo für Kundgebungen und Demonstrationen nutzen. Es ist auch ein Ort, an dem die Menschen Blumen niederlegen, Kerzen aufstellen, anonyme Nachrichten hinterlassen, um sich zum Beispiel bei jemandem zu bedanken. Es wurden dort sogar schon Heiratsanträge gemacht!

AO: Lola Arias wird im Film als Urheberin des Kunstwerkes ‹The Square› genannt. (Wie es der Zufall will, ist sie dem Baseler Publikum als Regisseurin der ‹Selbstportraits› von 6 Mitgliedern der Basler Compagnie, die zu Beginn der Spielzeit auf dem Theaterfestival Basel zu sehen waren, bereits bekannt.) Es liegt in ihrem Fall ein umgekehrtes Plagiat vor: Ihr wurde kein Kunstwerk geklaut, sondern gegen ihren Willen untergeschoben. Lola Arias befindet sich seither in einem Rechtsstreit gegen die Filmproduzenten. Als ich in der Recherche erfuhr, dass die Museumsdirektorin Elna ebenfalls eine Namensvetterin hat, bin ich stutzig geworden.

ES: Bis zur Eröffnung der Ausstellung wussten wir eigentlich gar nichts von seinem Vorhaben, einen Film zu drehen. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich vor dem Vernissagepublikum stand, Ruben Östlund interviewte, und dabei erfuhr, dass sein neuer Film nicht nur in einem Kunstmuseum angesiedelt sein würde, sondern auch durch die Ausstellung in unserem Museum und von unseren Mitarbeitenden inspiriert sein sollte. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich auch, dass er mich als Folie für die Museumsdirektorin in seinem Film andachte, und ja, letztlich hat er sie sogar nach mir benannt.

 

Elna Svenle ist Direktorin des Museums Vandalorum für Kunst und Design in Värnamo, im Süden Schwedens; mit ihr gesprochen hat Angela Osthoff, Dramaturgin am Theater Basel.

Die Schauspielproduktion ‹The Square› hatte am 24. April 2021 Premiere.

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