Eine Reihe mit Gala Othero Winter
Lyrik ist keine bloße Spielerei oder ein Luxus für wenige – sie ist überlebenswichtig. Gedichte eröffnen Räume für Gefühle, für das Unaussprechliche, für innere und kollektive Erfahrungen. Sie bringen uns wieder in Berührung mit dem Leben – und lassen uns erkennen, dass es erfahrbar und veränderbar ist. In Anlehnung an Audre Lordes bahnbrechenden Essay Poetry Is Not a Luxury stellt Gala Othero Winter allabendlich Dichterinnen und Dichter vor, die Poesie als Quelle von Wissen, Widerstand und Veränderung verstanden haben. Lyrik laut gelesen von Gala Othero Winter und Gästen
Die erste Ausgabe von Poeme in der ABK widmet sich dem dichterischen Werk von Audre Lorde.
- Audre Lorde gelesen von Gala Othero Winter und Carina Braunschmidt
- Wann: 29.04.2025, 20:00 Uhr
- Wo: Alte Billettkasse
Audre Lorde (1934–1992) war eine einflussreiche afroamerikanische Dichterin, Feministin, Lesbe und Bürgerrechtsaktivistin. Sie veröffentlichte 15 Gedichtsammlungen, den Roman ZAMI sowie mehrere Essaybände. Ihre Werke wie Cancer Journals (Krebstagebuch), Burst of Light (Lichtflut) und Sister Outsider fanden weltweit ein breites Publikum. Als eine der bedeutendsten Ikonen der zweiten feministischen Bewegung inspirierte Lorde mehrere Generationen mit ihrer kraftvollen Poesie, die als Auslöser für gesellschaftlichen Wandel diente und Gemeinschaften vereinte: Schwarze Kunst und Befreiung, Frauenbefreiung sowie die Schwulen- und Lesbenbewegung. 1991 erhielt sie die Walt Whitman Citation of Merit und wurde von 1991 bis 1993 zur Dichterin des Staates New York (New York State Poet) ernannt. Von 1984 bis 1992 verbrachte Lorde jährlich mehrere Monate in Berlin. Ihr Einfluss wirkte besonders auf Schwarze und weiße Feminist*innen in Deutschland und ganz Europa. 1992 starb Audre Lorde im Alter von 58 Jahren nach 14 Jahren Kampf gegen Krebs in ihrem Haus auf St. Croix. Zwischen 1984 und 1992 las Audre Lorde in zahlreichen Städten in West- und Ostdeutschland, in der Schweiz, den Niederlanden und London aus ihrem Werk. Sie eröffnete ihre Lesungen stets mit den Worten: «Ich komme zu Euch als Afro-Amerikanerin, Feministin, Lesbe, Kriegerin, Schwarze Aktivistin, Dichterin, Mutter, Krebsüberlebende.»
- Alda Merini gelesen von Gala Othero Winter und Marie Löcker
- Wann: 08.11.2025, 20:00 Uhr
- Wo: Alte Billettkasse
Alda Merini (1931–2009) wurde schon früh in Italien mit ihren Gedichten bekannt. Vier Lyrikbände erschienen, bis Merini 1965 in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde und für fast zwanzig Jahre verstummte. Mit dem Gedichtband La Terra Santa (1984) fand sie zu ihrer dichterischen Sprache zurück. Viele weitere Lyrikbände folgten; sie wurde als die «meistgeliebte Dichterin Italiens» gefeiert und für den Nobelpreis vorgeschlagen. Merinis Werk ist bekannt für seine tiefgründige, leidenschaftliche und spirituelle Auseinandersetzung mit dem Leben in all seinen Facetten, wobei Sexualität, Leid und Heilung eine zentrale Rolle spielen.
- Sappho gelesen von Gala Othero Winter, Angela Osthoff und Viviane Kübler
- Wann: 21.12.2025, 20:00 Uhr
- Wo: Alte Billettkasse
«Eros fällt da wieder gewaltsam auf mich ein, der Gliederlösende, süss-bittere Bestie, gegen die man machtlos ist.» Mit ihren schlichten, wie eindringlichen Worten berührt sie bis heute ganz unmittelbar: Sappho gilt als die früheste Lyrikerin Europas, als selbstbewusstes Ausnahmegenie, in einer von Männern dominierten Welt. Das Hauptthema ihrer Lieder heisst Eros und weibliche homoerotischer Liebe. Sie war es, die vor mehr als 2500 Jahren als erste «Ich» gesagt hat. Ihr Ruhm gründet auf einem Narrativ, das sie zur Ikone der politischen und sexuellen Befreiung stilisiert. Wieviel davon Projektion ist, steht auf einem anderen Blatt, denn ihr Werk ist nur fragmentarisch überliefert und noch weniger wissen wir von ihrem Leben. Im ersten Lexikon über Lesben ist ihr eine ganze (leere) Seite gewidmet. Aus spärlichen Daten lässt sich rekonstruieren, dass sie einem alten mytilenischen Adelsgeschlecht entstammte, verheiratete Mutter war und auf Lesbos einen Kreis junger Frauen um sich scharte, die sie in musischen Fertigkeiten unterrichtete und auf die Ehe vorbereitete. Sappho stand an der Schwelle von Mündlichkeit zu Schriftlichkeit, ihre Lieder wurden teilweise sogar mit einem Chor zu Musik und Tanz aufgeführt. Dennoch bleibt Sappho ein Rätsel, und wahrscheinlich ist es auch das Fragmentarische, der Phantomschmerz, die Leerstelle, die sie so attraktiv macht und einlädt zu immer neuer Interpretation und Projektion.